Montag, 28. August 2017

Rezension: Im Herzen der Gewalt von Edouard Louis , übersetzt von Hinrich Schmidt- Henkel


ISBN: 9783103972429
224 Seiten
20,00 EUR
Hardcover


Der neue autobiografische Roman von Edouard Louis, der von einer unvergesslich traumatisierenden Nacht spricht!



Handlung:

Edouard Louis berichtet von einer dramatischen Nacht. Er verbringt am Weihnachtsabend mit einem fremden die Nacht, sie reden und lachen, doch am nächsten Morgen scheint die ganze Welt sich um 180 ° zu drehen, denn plötzlich zieht der Fremde eine Waffe . . . .


Schreibstil:

Der Autor hat einen unglaublich guten und einfühlsamen Schreibstil. Da der Roman autobiografisch ist, ist das Buch in der ich-Perspektive geschrieben. Die Geschehnisse und die Folgen der besagten Nacht werden minutiös beschrieben und jedes Detail besprochen. Der Roman wird dabei tiefgehend und dringt in die Psycho von Edouard vor.  Stilistisch habe ich nichts auszusetzen, das Buch ist meisterlich gut geschrieben.


Protagonist: 

Durch die Erfahrung des Protagonisten hat er gleich von Anfang an mein Mitgefühl (auch wenn dieser das nicht möchte- es geschieht automatisch), die Phasen, durch die er gehen muss waren einerseits faszinierend, andererseits auch stark aufreibend. Identifizieren konnte ich mich mit dem Protagonisten allerdings überhaupt nicht. Ich hätte wahrscheinlich vollkommen anders gedacht und reagiert. Dazu sei gesagt, dass jeder Mensch gewisse Dinge nun mal auch anders verarbeitet und ich nicht dasselbe erlebt habe wie dieser. Daher ist meine vermutliche Reaktion nur eine These. manchmal ist die Psyche des Autoren so widersprüchlich, dass ich mich selbst ganz verloren gefühlt habe und ich denke, dass genau dieses Gefühl herüber kommen sollte. 
Edouard vereinsamt, er kann kein Vertrauen mehr aufbauen, nicht mal zu den Menschen, die zuvor schon sein vollstes Vertrauen hatten. Mit diesem Hintergrund ist das auch nicht verwunderlich und dennoch gibt das Buch einen Hoffnung, in dem detaillierten Aufstieg und der Verarbeitung nämlich verbirgt sich immer mehr und mehr Hoffnung für den Menschen. 

Meinung:

Der Schreibstil ist wunderbar und auch die gekonnte Mischung aus einem düsteren Roman, der ein kleines Licht Hoffnung in sich birgt, sind Punkte, die deutlich für das Buch sprechen. Ich habe jedoch auch Kritikpunkte, die mir das Lesen des Buches schwer gemacht haben. Zunächst konnte ich Reaktionen und Handlungen nicht nachvollziehen (mir ist bewusst, dass jeder anders ist). Ich habe im Verlauf des Buches allerdings eine Abneigung entwickelt.  Insgesamt war mir das ganze Unterfangen zu ich- bezogen, noch dazu dachte ich an gesellschaftliche Auswirkungen oder an eine Reflexion, es wurde jedoch in dem Punkt nur ein Rechtsreflex gerügt. Das hat mich eher etwas verwundert. Dann hätte der Autor eventuell die Person anonymisieren müssen, denn natürlich spielt der Täter mit jeder Facette eine Rolle. Was hatte er für einen Grund? Was war sein Hintergrund? Das spielt nun mal eine Rolle, natürlich ist es dabei egal, ob es nun ein Pole, Russe, Franzose, Afrikaner war, dennoch ist ein Tatmotiv so gestrickt, dass auch die Herkunft eine Facette dessen ist. Das wars aber auch schon mit dem gesellschaftlichen Aspekt, der meiner Meinung nach kein Inhalt hatte. Stattdessen die ewige Fokussierung auf sich selbst, die beinahe krankhafte Egomanie des Autors, dies alles sind Punkte, mit denen ich nicht zurecht komme. 

Dann habe ich nachgeforscht, der Autor hat selbst noch einen autobiografischen Roman geschrieben, diesen habe ich nicht gelesen, aber es handelt wohl von seiner Kindheit und von Landflucht.

Es scheint folglich für mich ein äußerst selbstdarstellerischer Geselle zu sein, dessen bin ich kein Fan. Ich habe schon immer schlechten Nährboden für Selbstdarsteller geboten, daher die Abneigung. Ich finde, dass nicht jeder Kram, der irgendwelche Wendepunkte im Leben eines Menschen darstellt, unbedingt in ein Buch gehört. Gut, dieses Ereignis schon, es hat mich auch interessiert. Leider geht es hier um einen innerlichen, selbstbezogenen Entwicklungsprozess und nicht um Kritik an die Gesellschaft, was ich erwartet hätte.

Trotz des guten Handwerks und dem interessanten Topics konnte mich das Buch also nicht sonderlich überzeugen, zu sehr berichtet der Autor nur von sich selbst, wobei andere Schritte durchaus wichtiger gewesen wären (Polizei, Gesellschaft, Prävention), was ich extrem schade finde. Das Thema hätte DIE Geschichte gehabt, um etwas zu bewegen. Chance verpasst. 

Ich kann daher nur 3 Punkte vergeben.




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